Langfahrtsegeln

 

Langfahrtsegeln, nach dem Englischen blue water sailing auch „Blauwassersegeln“ genannt, bedeutet, sich mit paradiesischen Ankerplätzen für manchmal doch recht stressige Seepassagen zu belohnen, unberührte Riffe vor teils unbewohnten Inseln schnorchelnd zu erkunden, große pelagische Jäger wie Thunfisch, Wahoo und Mahi-Mahi zu fangen, unzählige Sonnenunter- und -aufgänge auf See zu bewundern und viel über sich selbst und seine Grenzen zu lernen.

 

Dabei tauscht man allerdings nicht nur Alltag gegen Abenteuer, sondern schafft auch völlig neue Herausforderungen. Man verkleinert sein Zuhause auf wenige Quadratmeter Wohnfläche, die die meisten Langfahrer sich auch noch mit Mitseglern teilen. Auf längeren Seepassagen geht einem irgendwann das frische Gemüse aus, so dass die Ernährung etwas Linsen- und Reis-lastig wird – besonders dann, wenn man länger keinen Fisch gefangen hat. Und während man in den Tuamotus mit Tausenden von Haien taucht oder in Tonga mit mächtigen Buckelwalen schnorchelt, vergisst man nie den Stress der Stürme, die man durchsegelt, und der Nächte, die man in schwerer See durchwacht hat.

 

Alles ist gut, solange alles gut ist, aber wenn am anderen Ende der Welt plötzlich die Maschine streikt, muss man kreativ sein, und wenn einem auf See das Segel reißt, dann muss das auch auf See repariert werden. Langfahrtsegeln erfordert minutiöse Planung und Logistik, die vom Proviant über Ersatzteile bis zu Medikamenten reicht, denn ein Abszess zehn Tage entfernt vom nächsten Fleckchen Land ist nichts übertrieben Wünschenswertes.

 

Die offene See ist unberechenbar. In diesem Frühjahr sind gleich zwei Boote – von der Größe her durchaus mit dem Schwimmdings vergleichbar – auf dem Weg zu den Marquesas nach Kollisionen mit Walen gesunken. Das erste, die Raindancer, war zu diesem Zeitpunkt nur etwa 300 Seemeilen von mir entfernt, und während sich die Besatzungen in beiden Fällen sicher auf die Rettungsinsel begeben konnten und jeweils innerhalb von 24 Stunden von anderen Yachten aufgegabelt wurden, war außer dem eigenen Leben doch alles verloren.

 

Zwei weitere Boote verloren ihren Mast und waren bis zu ihrer Rettung auf die Gnade der See angewiesen, denn ohne Fahrt lässt sich ein Boot nicht steuern und der Winkel zur Welle nicht kontrollieren.

 

Immer mehr Boote werden vor der iberischen Halbinsel von Orcas angegriffen. Auch das Schwimmdings hat es erwischt, wobei ich allerdings sehr glimpflich davonkam. Ein einziger Sturm hat in Französisch-Polynesien zahlreiche Boote beschädigt, unter anderem das einer guten Freundin auf einen Strand befördert. Auf einer Superyacht, die sich zu der Zeit nur unweit meiner Position befand, ging der Schaden in die Hundertausende. Ich selbst war zu dem Zeitpunkt ohne Crew alleine auf hoher See zwischen den Tuamotus und Tahiti – ein Erlebnis, auf das ich gerne verzichtet hätte.

 

Und trotzdem ist der Ruf des Abenteuers laut und der Gedanke, unbewohnte Inseln zu erkunden, die ohne eigenes Boot unerreichbar wären, verlockend. Langfahrtsegeln bedeutet große Opfer und das Bewältigen schwieriger Situationen, doch der Lohn ist proportional zum Einsatz.

Immer weiter westwärts, immer dem Sonnenuntergang entgegen.

Code Zero und Genua: Reichlich Segelfläche für die Fahrt vor dem Wind.

Hin und wieder wird es auch mal unbequem.

Sonnenuntergang auf See.

Leider können manche Reparaturen nicht bis zum nächsten Ankerplatz warten.