Die Route
Die sogenannte Barfußroute um die Erde folgt den Passatwinden. Die Passatwinde sind ein recht verlässliches Windsystem in den Tropen, das aus östlichen Richtungen bläst. Weil man sich in den Tropen befindet, ist es stets angenehm warm, und weil man bei Ostwind westwärts segelt, hat man zumeist den Wind im Rücken. Rückenwind ist für die lange Fahrt viel angenehmer. Das Boot krängt weniger, als wenn man gegen den Wind anfährt, legt sich also nicht so schräg, und die Wellen rollen seicht von achtern unter dem Rumpf durch, anstatt von vorne in den Bug zu krachen. Fahre ich gegen die Welle an, so addiert sich deren Geschwindigkeit zu der des Boots zu einer unbequemen Aufprallgeschwindigkeit. Das kann für einen Tagestörn aufregend sein, verliert aber schnell seinen Reiz, wenn man tagelang kaum Schlaf findet. Es ist laut, wenn die Wellen gegen den Bug schlagen, und das Vorschiff hebt und senkt sich so plötzlich, dass Schlafende durchaus den Kontakt mit der Matratze verlieren können, nur um ihn Sekundenbruchteile später unsanft wiederzufinden. Dabei befinden sich viele der paradiesischsten Inseln und Orte in den Tropen, mithin also in der Passatwindzone. Es gibt also im Prinzip überhaupt gar keinen Grund, eine andere Route zu wählen.
Martinique ist ein gerne frequentierter Zwischenstopp für Weltumsegler auf der Barfußroute. Ich hätte nach dem Kauf also von dort aus gleich Richtung Panama segeln können. Dummerweise aber stand im Sommer ’22 die Goldene Hochzeit meiner Eltern an, so dass ich zunächst zurück nach Europa musste. Gegen Wind und Welle. Nüchtern betrachtet war das allerdings auch der bessere Plan. Im Pazifik gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, an Ersatzteile und dergleichen zu gelangen. Eine Ozeanüberquerung, um Problemstellen am achtzehn Jahre alten Boot zu identifizieren, und die Infrastruktur Europas, um selbige zu beheben, erschienen vor einer Weltumsegelung durchaus sinnvoll.
Mit einem längeren Zwischenstopp auf den atemberaubend schönen, wenn auch ziemlich kühlen Azoren ging es ins Mittelmeer: Korsika, Sardinien, Neapel, die Amalfi-Küste, die äolischen Inseln, Sizilien. Von dort zeigte der Bug dann endlich Richtung Westen. In Almerimar in Südspanien setzte ich das Schwimmdings einen Monat lang aufs Trockene, um verschiedene Arbeiten durchzuführen und das Boot für eine Weltumsegelung vorzubereiten. Anfang Oktober 2022 ging es dann los: Kanaren, Britische Jungferninseln, Dominikanische Republik, Panama. Dann durch den Panamakanal und auf zur Königsetappe: 4.200 Seemeilen (etwa 7.780 km) und insgesamt 37 Tage ohne Land zu sehen zur am weitesten von jeglicher Kontinentalmasse entfernt gelegenen Inselgruppe der Welt, den Marquesas. Von dort fuhr ich weiter zu den Tuamotus, der größten Gruppe von Atollen auf diesem Planeten, wo ich mit tausenden von Haien tauchte, zu den türkisen Lagunen der Gesellschaftsinseln (Tahiti, Bora Bora), nach Tonga, wo ich mit Buckelwalen schnorchelte, nach Fiji mit seinen zahlreichen Inseln und warmherzigen Einwohnern und Vanuatu, wo ich in das brodelnde Innere unserer Erde blicken durfte. Vanuatu hatte außer dem Vulkan noch vieles mehr zu bieten und hält im Moment auf meiner Rangliste der schönsten und aufregendsten Länder Platz eins. Leider musste ich wegen eines herannahenden Zyklons recht plötzlich aufbrechen, doch auch der nächste Stopp in den Louisiaden, die zu Papua-Neuguinea gehören, wird auf ewig in meiner Erinnerung bleiben. Von dort aus ging es dann weiter nach Indonesien, wo ich das Boot in Raja Ampat in eine Marina legte, um Weihnachten zu meiner Familie reisen zu können.
Das ist der Stand Mitte Dezember 2023. Von hier aus soll es weitergehen nach Malaysia, Singapur und vielleicht sogar Thailand, obwohl der Wind dieses Vorhaben nicht so recht unterstützt, bevor bereits die nächste Ozeanüberquerung ansteht. Den Indischen Ozean möchte ich mit dem kleinen Atoll Cocos Keeling beginnen, einfach weil es dort wunderschön ist. Dann Rodrigues, Mauritius, Reunion, Madagaskar und Richard’s Bay in Südafrika. Von dort geht es die Ostküste runter bis Kapstadt und schließlich mit Stopps in St. Helena und Ascension zurück in die Karibik, wo das Abenteuer aller Voraussicht nach enden wird.
Wer Interesse hat, kann hier sehen, wo ich mich gerade befinde.