Oliver Hazard Perry

 

Die Oliver Hazard Perry, oder einfach OHP, war das erste Vollschiff, also ein Schiff mit mindestens drei Masten und Rahbesegelung auf allen deren, das in über hundert Jahren in den USA gebaut wurde. Mit sechzig Metern Länge gehört sie zudem zu den größeren Tradis in den USA. Heimathafen ist Newport, Rhode Island, wo die Reichen und Mächtigen ihre Sommerresidenzen haben. Man glaubt dort, alles mit Geld regeln zu können, vergaß aber die Projektaufsicht, wodurch ein Schiff mit nachgerade lustigen Fehlbildungen entstand. So erlaubte die Auspuffanlage kein Krängen über 20°, was bei einem Segelschiff bei Weitem nicht ausreicht, der Einlass für die Belüftung des Schiffsinneren befand sich in der am zentralsten gelegenen Toilette, und die riesigen Fäkaltanks waren aus Plastik, was fast zu einem übelriechenden Unglück geführt hätte. Für das Frischwassersystem waren Eisenrohre verwendet worden, so dass das Leitungswasser rostbraun aus dem Hahn kam, und der aufwendig installierte Treppenlift für Rollstuhlfahrer führte in ein Deckshaus, das für Rollstühle nicht zugänglich war. Das Lustige daran war, dass für all diese Fehler die gleiche Ausrede bereitstand: Es sei halt seit über hundert Jahren in den USA kein Vollschiff gebaut worden, weshalb es da einfach an Erfahrung fehle. Dass keins dieser Probleme etwas mit der Takelage zu tun hatte, wurde dabei geflissentlich übersehen.

 

Ich kam Anfang November 2015 als Bootsmann auf das Schiff. Wir lagen den gesamten Winter für Reparaturen in der Werft, und weil es dementsprechend noch keiner Segelcrew bedurfte, war ich somit auch ranghöchster Offizier an Bord und führte das Team darin an, die nagelneue Takelage vor dem eisigen nordatlantischen Winter zu schützen, sie also wieder auseinanderzubauen. Eigentlich hatte das Schiff den Winter in der Karibik verbringen sollen, doch von Seetauglichkeit war es noch meilenweit entfernt. Der Job machte mir Spaß und war gut bezahlt, aber das Schiff war, ohne je wirklich gesegelt zu haben, bereits ein Sanierungsfall, so dass ich im kommenden Frühjahr ziemlich schnell wieder das Weite suchte.

 

Ein Problem war, dass die nagelneuen Spieren bereits enorme Risse hatten, weil das Holz vor dem Drechseln nicht korrekt getrocknet worden war. Risse verlaufen entlang der Faser und sind nicht notgedrungen schlimm, doch an einigen Spieren waren sie so breit und tief, dass sie die strukturelle Integrität gefährdeten. Es gab damals einen großen Streit, weil ich für den Austausch der Spieren plädierte, wovon der Kapitän aber nichts wissen wollte. Er wollte kein weiteres Großprojekt, das ihn weiter aufhalten würde, weil er einfach nur lossegeln wollte. Dass er dafür Leben und Gesundheit seiner Crew zu gefährden bereit war, gefiel mir aber irgendwie nicht, und so sorgte ich dafür, dass er gefeuert wurde. Ein paar Jahre später begegnete ich ihm noch einmal, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich noch besonders mochte.

 

Dementsprechend ironisch ist es, dass ich im Jahr 2018 dann als freiberuflicher Takler angeheuert wurde, um endlich die Mars- und Bramstenge am Fockmast auszutauschen. Das Projekt machte einen Heidenspaß, weil wir keinen Kran zur Verfügung hatten, sondern alle Spieren mit Tauwerk und von Hand an Deck fieren und später wieder hochziehen mussten. Zunächst galt es die Rahen herunterzunehmen, um überhaupt an die Stengen zu gelangen. Dann fierten wir die Stengen vermittels eines Stengefalls ab. Als weitere Herausforderung kam hinzu, dass an Deck kein Platz für die Spieren war, so dass wir sie alle sofort an den Fockwanten vorbei auf das Dock befördern mussten. Kräne erleichtern einem die Arbeit enorm, aber die eigentliche Herausforderung, die das Takeln so spannend macht – das Lösen von Problemen – kommt dabei bei Weitem zu kurz.

Die Fockbramrah wird den Mast raufgezogen.

Der Fockmast ohne Rahen und Stengen.

Ich mache den Spagat zwischen Want und maximal gedumpter Fockrah.

Groß- und Fockmast vom Besanmast aus betrachtet.

Das erste Vollschiff, das in über 100 Jahren in den USA gebaut wurde. An der Takelage gibt es kaum etwas auszusetzen.