Routenplanung
Wer meine Route nachfahren will, der findet diese hier, aber natürlich gibt es reichlich Spielraum für Variation. Ich bin leider etwas in Eile und möchte die Weltumsegelung in zweieinhalb Jahren hinter mich bringen, weil es am schnöden Mammon mangelt. Ich empfehle allerdings, sich mehr Zeit zu nehmen, denn es gibt einfach zu viel zu sehen auf diesem Planeten. Beispielsweise werde ich Australien und Neuseeland komplett auslassen, dafür aber mehr Zeit in Südostasien haben. Wen Kälte nicht stört, der kann Südamerika umrunden, und wer Zeit hat, kann Mikronesien erkunden. Jedem steht es offen, sich seine eigene Route zurechtzulegen, doch drei grundlegende Faktoren sollte jeder in seine Überlegungen mit einbeziehen, nämlich vorherrschende Winde, Strömungen und Zyklonzeiten.
Ich kann absolut nur davon abraten, gegen die vorherrschenden Winde anzufahren. Hart am Wind zu segeln, kann auf einem Tagestörn unheimlich viel Spaß machen. Man spürt die Kraft der Elemente und den Rausch der Geschwindigkeit, doch auf der langen Fahrt wird das schnell alt, weil man einfach kaum guten Schlaf findet und das Kochen schwerfällt, was zu eher einfacher bis eintöniger Kost führen kann. Auch das Filettieren von Fischen wird bei ruppiger Fahrt zumeist zur Fluchorgie. Selbst bei achterlichen Winden wird es hin und wieder rau. Das erträgt man dann mit Fassung, weil man einfach nichts dagegen unternehmen kann. Wenn das aber Tag für Tag für Tag so ist, dann schlägt das irgendwann doch aufs Gemüt und fängt an, sich zu fragen, warum man sich das selbst angetan hat und Derartiges nicht Boris Hermann überlässt, der immerhin recht gut dafür bezahlt wird. Auf meiner Überfahrt von der Karibik zu den Azoren hatte ich an 16 von 20 Tagen Gegenwind, und ich kann guten Gewissens behaupten, die Passage von den Kanaren zurück in die Karibik signifikant mehr genossen zu haben.
Zudem können einem Strömungen ziemlich kompetent den Tag verderben. Es ist einfach nervig, wenn man bei gutem Wind und vollen Segeln nur vier Knoten macht. Es ist nicht das Ende der Welt, aber es empfiehlt sich doch, sich auf Monatskarten zu informieren, mit was für Strömungen man rechnen darf. Ich selbst benutze dafür das Climatology Plugin auf OpenCPN. Ich kann es nur empfehlen.
Die vielleicht wichtigste Einschränkung für die Planung aber sind Zyklonzeiten, denn mit denen ist nicht zu spaßen. Zyklone sind Wirbelstürme, die über dem Wasser entstehen. In der Karibik kennt man sie unter dem Namen Hurrikan, in Ostasien heißen sie Taifun, doch völlig unabhängig von der spezifischen Nomenklatur sollte man sich nach Möglichkeit von ihnen fernhalten, zumal die meisten Versicherer es eher uncool finden, wenn man sehenden Auges in sein Unglück schippert. Das bedeutet, dass man in der Karibik von Mai bis November aufpassen muss, während man sich im Westpazifik von November bis Mai nicht zwischen 10° und 30° südlicher Breite aufhalten sollte. Die südliche Karibik allerdings befindet sich außerhalb des sogenannten Hurricane Alley. Grenada, Trinidad und Tobago, die ABC-Inseln, Kolumbien und Panama sind also sicher. Im Westpazifik verbringen die meisten Cruiser die Zyklonsaison in Neuseeland und Australien oder in Mikronesien und Indonesien. Ich möchte hier nicht auf alle Optionen eingehen, sondern nur darauf hinweisen, dass dieser Faktor unbedingt in die Routenplanung einbezogen werden muss.
Ich kann nicht von mir behaupten, besonders gut geschlafen zu haben, als in Vanuatu bereits Mitte Oktober, also lange vor beginn der Zyklonsaison, ein solcher vorhergesagt wurde, der mit über 100 Knoten Windgeschwindigkeit direkt über die Insel hinwegziehen sollte, vor der ich vor Anker lag. Im Endeffekt gelang mir die Flucht, was auch gut so war, denn Zyklon Lola entwickelte sich zu einem Sturm der Kategorie 5 mit Windgeschwindigkeiten über 165 Knoten.