Piraten
Mit wirklichen Piraten, wie man sie aus dem Film Captain Phillips kennt, kommt man als Yacht-Segler kaum in Kontakt. Die größere Gefahr stellen opportunistische Fischer dar, die jenseits vom wachsamen Auge des Gesetzes unsere Trägheit und Wehrlosigkeit auszunutzen versuchen. Ich selbst hatte einen Vorfall, bei dem ich bis heute nicht sicher sagen kann, ob es sich tatsächlich um einen versuchten Überfall handelte oder ob man sich nur einen Spaß daraus machte, mich schwitzen zu sehen. Die Tatsache jedenfalls, dass die ecuadorianische Marine, mit der ich über Satellitentelefon in Kontakt stand, die Sache sehr ernst nahm und anbot, einen Hubschrauber zu schicken, zeigt, dass es durchaus Überfälle in der Gegend gibt.
Aber ganz so wehrlos, wie die Piraten denken, ist man auf einer Yacht nicht notgedrungen. Piraten kommen zumeist in kleinen Schnellbooten, die zwar wendig und flink sind, den Insassen aber nicht viel Schutz bieten. Ich persönlich würde mich als Pazifist wahrscheinlich ergeben. Wenn man sich zur Wehr setzt, muss man bereit sein zu töten, und ich denke, ich würde lieber ausgeraubt werden, als einen Menschen zu töten. Einige meiner Freunde hingegen haben ziemlich ausgefeilte Verteidigungsstrategien. Amerikaner haben ohnehin zumeist Schusswaffen an Bord, stehen damit allerdings recht alleine da. Zwei Dinge aber, die jede Yacht stets mit sich führt, sind Benzin für den Außenbordmotor und pyrotechnische Seenotsignale. Mit Hilfe des Benzins kann man nicht nur Molotov-Cocktails basteln. Ein Freund von mir hat eine einfache handelsübliche mit Handpumpe betriebene Spritze für Unkrautvernichtungsmittel aus dem Baumarkt an Bord, mit der er im Notfall Benzin auf ein Piratenboot spritzen kann, um dann eine Fackel hinterherzuschmeißen.
Ein anderer Freund hat einen Einsatz für die Signalpistole, die ihm erlaubt, scharfe Patronen damit abzuschießen. Der Einsatz ist kaum als Teil einer Schusswaffe identifizierbar, ein Stück Rundstahl mit Bohrung, der ebenso gut ein Ersatzteil für den Motor sein könnte. Auf diese Weise kann er seine legale Signalpistole sehr einfach zu einer Schusswaffe umrüsten, ohne diese je deklarieren zu müssen. Die Patronen lagert er unauffindbar in einem entlegenen Winkel, deren es auf Booten zu Hauf gibt. Aber schon allein ein starker Scheinwerfer, der die Angreifer blendet, kann sehr hilfreich sein, und selbst per Funk kann man Opportunisten auf einfache Weise klarmachen, dass sie kein völlig naives Opfer vor sich haben.
Die größere Gefahr für uns Langfahrtsegler ist, nachts vor Anker überfallen zu werden. Wenn man aufwacht, sind die Angreifer dann bereits an Bord, und erneut gilt: Kommt man mit Schusswaffe in der Hand aus der Kabine, sollte man bereit sein, sofort abzudrücken. Auch Räuber sind stets bewaffnet – mindestens mit Messer oder Machete – und der Anblick einer Pistole wird kaum als Appell an ihren Sanftmut aufgefasst werden. Meine Strategie ist ein falsches Portemonnaie mit ein wenig Geld in verschiedenen Währungen und vielleicht ein oder zwei abgelaufenen Kreditkarten und zudem ein altes Handy. Nach dem, was man über vorherige Überfälle so liest, geben sich Räuber damit zumeist zufrieden – vor allem dort, wo ich noch hinfahre. In Panama gab es zuletzt mehrere Überfälle, bei denen Boote komplett leergeräumt wurden inklusive aller Navigationselektronik, Kleidung, Werkzeuge und Ersatzteile. Diese Überfälle aber waren derart brutal, dass die Bootsbesitzer im Endeffekt wahrscheinlich eher froh darüber waren, mit dem Leben davongekommen zu sein, als erbost über das durchaus ersetzbare Diebesgut.