05.02.2022: Le Marin, Martinique: Der zweitglücklichste Tag

Man sagt, als Bootsbesitzer sei man nur zweimal glücklich: an dem Tag, an dem man das Boot kauft, und an dem, an dem man es wieder verkauft. Ein guter Test, ob man das Zeug zum Eigner hat, soll sein, so etwa 5.000 Euro in Bar abzuheben, dann zum Strand zu gehen und die Scheine leicht zerknüllt einen nach dem anderen ins Meer zu schmeißen. Bereitet einem diese Übung Freude, so die Theorie, sei man zum Bootsbesitzertum geeignet. Missfällt einem aber der eine oder andere Aspekt des Unterfangens, solle man von einem Bootskauf eher Abstand nehmen. Ich unterzog mich diesem Test nicht, und so bin ich seit vorvorgestern stolzer Bootsbesitzer.

 

Es handelt sich um eine Jeanneau Sun Odyssey 49, Baujahr 2004, und ich beabsichtige, sie Schwimmdings zu nennen, denn sie ist nun mal ein Ding, das schwimmt. Aber sie ist noch viel mehr als nur das: Sie ist das Ende einer zuletzt fast verzweifelten Suche, denn der Grund, warum ich überhaupt in der Karibik bin, ist, dass ich glaubte, das perfekte Boot schon im Internet gefunden zu haben. Ausstattung und Preis klangen fantastisch, und dass die Fotos auf eine geringfügige Vernachlässigung durch die Besitzer schließen ließen, redete ich mir damit schön, dass es immerhin über einen Makler von tadellosem Ruf verkauft wurde. Ich flog also nach Guadeloupe, nur um dort festzustellen, dass die Besitzerin den gut beleumundeten Makler ebenso zum Narren gehalten hatte wie mich.

 

Das in der Retrospektive nachgerade Komische, damals aber schwer Verdauliche an der Sache war, dass ich mich für jeden Mangel, den ich ansprach, auch noch belehren lassen musste. Deutete ich an, dass ich Türen an Kabinen und Toiletten erwartet hätte, so musste ich mir im Schulmeisterton anhören, Türen seien in den Tropen ein Ding der Unmöglichkeit, da man in der Hitze auf Luftzug angewiesen sei. Vielleicht hatte der Dame noch nie jemand erklärt, dass man Türen auch offenstehenlassen, auf Booten zumeist sogar in dieser Position arretieren kann. Wies ich darauf hin, dass ich, nur weil dies in der Annonce so vermerkt war, drei funktionierende Bootstoiletten erwartet hatte, musste ich mir anhören, Bootstoiletten seien wegen der dafür notwendigen Rumpfdurchbrüche gefährlich und gingen ständig kaputt, und die eine vorhandene Komposttoilette reiche völlig aus. Ich stellte mir vor, wie ich in 4-Meter-Welle versuche, einen vollen Kot- oder Urinbehälter sicher an Deck zu bringen und ihn über Bord zu entleeren, ohne denselben oder mich an die See zu verlieren, verkniff mir aber Einwände. Und als ich die Stofffetzen beanstandete, die einst das versprochene Bimini, die Beschattung des Cockpits also, gewesen sein mussten, wurde ich fast angefahren, was ich denn bitteschön erwarte, normale Biminis würden in der tropischen Sonne vier Jahre halten und dieses sei acht Jahre alt. Ich erwiderte, das Alter interessiere mich nicht, ich hätte nur ein intaktes, wenn auch nicht neues Bimini erwartet, wenn ein solches in der Annonce versprochen sei, und erntete ein herablassendes Pfff. Dass nichts funktionierte, wurde nebenbei erwähnt und bagatellisiert. Ach übrigens. Der Wassermacher brauche wahrscheinlich nur eine neue Membran, dann müsse er eigentlich wieder laufen. Das sei kein Problem (außer den 800 Euro, die sowas kostet). Der Turbo sei kaputt, was aber leicht zu reparieren sei (wenn man 2000 Euro für einen neuen berappt). Der Autopilot tue es nicht, aber das könne nur am Antrieb (2000 Euro) oder am Kurscomputer (1000 Euro) liegen. Also alles kein Thema. Und wenn ich Türen wolle, könne ich mir ja selbst welche bauen, Sperrholz sei nicht teuer.

 

Das Dumme war, dass ich speziell für dieses Boot in die Karibik geflogen war, und auch die Besitzerin wähnte mich fest an ihrem Haken. In der Tat hatte ich all meine Ausrüstung dabei, um loszusegeln, doch der Zustand des Boots war einfach zu besorgniserregend, und die Versuche der Besitzerin, mir ein professionelles Gutachten auszureden, waren wenig geeignet, meine Vorbehalte zu mildern. Nach mehreren Tagen innerer Zerrissenheit entschied ich mich schließlich gegen den Kauf und konsultierte den Makler, der zufällig ein weiteres Boot von vergleichbarer Größe in St. Martin zum Verkauf anbot. Also flog ich von Insel zu Insel, besah mir das Boot, wusste sofort, dass es zwar in einem guten Zustand, aber maßlos überteuert war, und ließ mir dennoch ein Gutachten aufschwatzen, das gleich am nächsten Tag stattfand. Zeit war Geld, weil meine Unterkunft, ein dreckiges, Kakerlaken-verseuchtes Loch, bei 40 Euro die Nacht nicht ganz günstig war. Dass ich das Gutachten nicht gebraucht hätte, um zu wissen, dass ich mir das Boot nicht leisten kann, entfiel mir aus nicht bekanntem Grund.

 

Doch gleich am nächsten Morgen fand ich im Internet ein Angebot, das fast zu gut klang, um wahr zu sein. Das war gegen acht Uhr. Ich schrieb die Maklerin an – gleich zweimal, um sicherzugehen –, biss dann bis neun Uhr auf meinen Nägeln herum, weil das Maklerbüro laut Internet um diese Zeit seine Tore öffnete, und rief dann um sieben Minuten nach neun, ob der unerklärlicherweise ausbleibenden Reaktion auf meine Email völlig verzweifelt, dort an. Die Brokerin wusste gleich, wer ich war: Der Typ, der schon zwei Emails geschickt hatte. Aber ich war im Recht, wie sie mir später erklärte, denn gleich nachdem wir aufgelegt hatten, bekam sie wohl einen weiteren Anruf bezüglich des gleichen Boots, das sie aber freundlicherweise allein aufgrund meiner telefonischen Interessensbekundung für mich reserviert hatte.

 

Ich flog nach Martinique, wo es tatsächlich ein Hostel, also eine bezahlbare Unterkunft gab und gleich am nächsten Tag holte mich der Besitzer ab, um mir sein Boot zu zeigen. Ich war begeistert. Dann begann das anderthalbwöchige Warten auf den Gutachtertermin, das aber schnell vorbeiging, weil im Hostel eine gute Gemeinschaft beisammen war und Martinique gar nicht mal so hässlich ist. Der Gutachter fand keine schweren Mängel, die mich vom Kauf abgehalten hätten, genug kleinere jedoch, um den Kaufpreis noch einmal um knapp 10% zu senken, und schnell war man sich einig. Am 2.2. unterschrieb ich den Kaufvertrag, was im Hostel mit großer Party und Strandfeuer gefeiert wurde, am 3.2. zog ich ein, am 4.2. zog der Vorbesitzer aus und eine Bekannte aus dem Hostel ein, (Olga, die auf ewig mein allererstes Crewmitglied bleiben wird) und am gleichen Tag steuerte ich das Schwimmdings zum ersten Mal selbst, wenn auch nur eine knappe Meile von der Marina zu einem Ankerplatz.

 

Seit der Vertragsunterschrift sind nun immerhin schon 72 Stunden vergangen, aber ich bin immer noch so glücklich wie am ersten Tag.

Ich am Tag der Vertragsunterschrift vor meinem neuen Dings.

Für das Gutachten wurde das Boot auch aus dem Wasser gehoben.

Erster Versuch: Keine Türen an Klo oder Kabinen. :Links die Komposttoilette.

Zweiter Versuch: Obwohl ich weiß, dass ich mir das Boot nicht leisten kann, lasse ich ein Gutachten durchführen.

Martinique ist gar nicht mal so hässlich, so dass sich die Wartezeit gut aushalten ließ.

Der Strand beim Hostel. Wie gesagt: gar nicht mal so hässlich.

Das Schwimmdings an seinem allerersten Ankerplatz nach dem Kauf.

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