14.07.2024: Le Port/Réunion: Ein Kurzblog mit vielen Fotos

Zunächst möchte ich mich für das lange Warten entschuldigen. Leider ist in Madagaskar in das Schwimmdings eingebrochen worden. Neben fast allen meinen Klamotten entwendeten die Langfinger auch meinen Laptop. Inzwischen habe ich endlich einen neuen und kann mich wieder ans Schreiben machen. Der Chronologie zuliebe werde ich zunächst La Réunion abarbeiten, bevor ich dann im nächsten Eintrag auf Madagaskar und den Einbruch eingehen werde.

 

Réunion ist eine Perle im Indischen Ozean. Seit Französisch Polynesien habe ich keine so atemberaubende Gebirgslandschaft mehr gesehen. Von tiefen, steilen Schluchten gespaltene und von üppiger tropischer Vegetation überzogene Berge machen jede Wanderung, jede Fahrt, jede Rast zu einem Fest der Sinne. Die über einhundert, zum Teil überaus spektakulären Wasserfälle der Insel tun ihr Übriges.

Man braucht nicht einmal die Wanderschuhe zu schnüren. Schon die Fahrten durch die engen Schluchten sind mehr als spektakulär.

Ich vor der beeindruckenden Cascade du Voile de la Mariée.

Wassersport hingegen ist in Réunion seit 2014 größtenteils verboten – und zwar aus gutem Grund. Dieses winzige Fleckchen Erde mit nur 207 Kilometern Küstenlinie zeichnete vor dem Verbot für sage und schreibe sechzehn Prozent der weltweiten tödlichen Haiangriffe verantwortlich. Schwimmen ist an einigen wenigen durch Netze geschützten Stränden erlaubt, surfen gar nicht. Getaucht werden darf, da Taucher nur äußerst selten von Haien angegriffen werden.

 

Allerdings erscheint es eher unwahrscheinlich, dass jemand angesichts dessen, was es oberhalb des Meeresspiegels zu bestaunen gibt, seine Zeit lieber unter Wasser verbringen möchte. Bis über dreitausend Meter türmen sich die Berge auf, und auch einen hochaktiven Vulkan gibt es mit dem Piton de la Fournaise: Seine letzte Eruption liegt weniger als anderthalb Jahre zurück.

Ein paar malerische Orte mit kolonialer Architektur runden die Sache ab. Wer noch nicht weiß, was er in den nächsten Herbstferien machen soll, dem kann ich Réunion nur wärmstens ans Herz legen, und weil das Baguette mit dem Euro gekauft wird, kann man sogar den Abakus zu Hause lassen. Die Preise liegen ein wenig über der europäischen Norm, aber es gibt auch Ausnahmen. Guter französischer Wein, Baguette und Käse sind hier günstiger zu erstehen als in Deutschland, und auch der lokale Rum reißt keine auffälligen Löcher ins Budget.

 

Selbst Geschichts-Aficionados kommen halbwegs auf ihre Kosten, auch wenn dadurch, dass die Insel von den ersten französischen Siedlern unbewohnt angetroffen wurde, blutige Auseinandersetzungen die Ausnahme darstellten und man sich die Historie angesichts der strategischen Lage der Insel auf der Handelsroute zwischen dem Kap der guten Hoffnung und Asien nahezu selbst ausmalen kann. Die französischen Siedler begannen – wahrscheinlich aufgrund eines sturen Unwillens, zu verhungern –,  Land zu bewirtschaften, wozu – wahrscheinlich aufgrund von Faulheit – Sklaven vonnöten waren, die aus Ostafrika, China, Vietnam und Indien importiert wurden, so dass die Bevölkerung heute durch eine erfrischende Diversität charakterisiert wird.

Die Wanderung zum Wasserfall.

Auf La Réunion kommt man kaum zum Wandern, weil man ständig das Panorama bewundern muss.

Sicher festzuhalten bleibt, dass die Menschen in Réunion, wo immer auch ihre ethnischen Wurzeln liegen, unwahrscheinlich freundlich und hilfsbereit sind. Selbst weiße Franzosen legen hier die Reserviertheit ab, die man ihnen großzügig euphemistisch häufig nachsagt. Ich glaube inzwischen, dass es an der sonneninduzierten Vitamin-D-Produktion und den allgemein mild-heißen Temperaturen liegen muss. Überall in den Tropen treffe ich fast ohne Ausnahme freundliche, hilfsbereite, gastfreundliche Menschen an, wie man sie in unseren Breiten mit der Lupe suchen muss. Vielleicht brauchen wir alle einfach ein bisschen mehr Sonne.

 

Jenseits jeglichen Zweifels liegt die Tatsache, dass wir auf Réunion viel zu wenig Zeit hatten. Da half es wenig, dass die Dichtung an meinem Propellerschaft zu lecken anfing. Der Propellerschaft muss unterhalb der Wasserlinie vom Motorgetriebe nach außen, muss also durch den Rumpf durch. Das ist nicht ganz so leicht abzudichten wie andere Rumpfdurchbrüche, weil hier kein fest installiertes, sondern ein sich schnell drehendes Bauteil durch das Fiberglas bohrt. Da ist es verständlich, dass die Dichtung friktionsbedingt nicht ewig hält, aber dass es ausgerechnet jetzt passieren muss, ist natürlich wenig geil, weil ich das Boot für die Reparatur aus dem Wasser heben lassen muss.

Zu meinem Glück haben sowohl Mechaniker als auch Kran zeitnah Zeit, und zu meinem Unglück gelingt es dem Mechaniker nicht, den Kragen, vermittels dessen das Getriebe mit dem Schaft verbunden ist, von demselben zu entfernen. Drei Stunden lang hängt das Schwimmdings zu 260 Euro die Stunde im Kran, bevor die Krancrew Feierabend hat und mir eine Wasserung ohne erfolgreiche Reparatur aufzwingt. Tatsächlich waren es knapp vier Stunden, aber jeder hier ist unwahrscheinlich empathisch und man entschuldigt sich sogar für die Tatsache, dass man mir drei der knapp vier Stunden berechnen muss. Ich muss mein dilettantisches Französisch bemühen, um auszudrücken, dass kein Bedarf für Entschuldigungen besteht und die Krancrew sicherlich keine Schuld daran trägt, dass der Kragen sich am Schaft festgefressen hat.

 

Trotz des enttäuschenden Ausgangs des Reparaturversuchs ist der Tag ein Beispiel an Menschlichkeit. Der Mechaniker weigert sich, Bezahlung für seine Bemühungen anzunehmen. Über drei Stunden harter Arbeit will er nicht vergeltet haben, weil er nicht erfolgreich war. Ich erkläre ihm, er trage keine Schuld am Alter meines Boots und seiner sturen Bauteile, aber er weigert sich kategorisch. Der Kragen muss wahrscheinlich abgeflext und ersetzt werden, doch der Mechaniker versucht nicht einmal, sich auf Biegen und Brechen diesen Job zu sichern. Er empfiehlt mir, die Sache in Madagaskar reparieren zu lassen. Das Ersatzteil könne während meiner Überfahrt beschafft werden und Arbeitszeit sei dort sowieso günstiger. Er denkt nur daran, was für mich das Beste ist, nicht an seinen Profit. Weil er kein Geld annehmen möchte, kaufe ich ihm ein Sixpack kalten Biers am Food Truck.

Der Kran hebt das Schwimmdings in La Réunion aus dem Wasser

Das Schwimmdings im Kran. Alles für die Katz.

Die Dichtung am Schaft des Schwimmdings lässt weiter langsam aber sicher Wasser ins Innere des Boots, aber mein Glaube an das Überleben der Menschlichkeit in Zeiten der Spaltung und des Hasses ist genährt. Trotz der Tatsache, dass der Tag teuer und nicht von Erfolg gekrönt war, lässt meine Gefühlswelt nichts Negatives zu. Mir geht es gut, und ich weiß warum.

 

Jetzt noch ein paar Fotos. Es wären mehr, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten. Eine Woche, von der zwei Tage auf Bootsarbeiten entfallen, reicht bei Weitem nicht, um diese unglaubliche Insel zu erschließen.

Captain und Crew.

Mittagessen mit traumhaftem Blick.

Sonnenuntergänge kann Réunion ebenfalls.

Das koloniale Rathaus in der Hauptstadt Saint Denis am französischen Nationalfeiertag.

Unglaubliche Blicke vom Maido, einem Berg im Westen der Insel.

Der malerische Ort Palmiste Rouge im Cirque de Cilaos.

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