Fakarava hat sicherlich noch mehr zu bieten, aber eigentlich bin ich nur wegen der Haie hier. Ich werde nicht enttäuscht.
Fakarava gehört zu den Tuamotus, der größten Gruppe von Atollen auf diesem Erdball. Atolle sind versunkene Vulkane, auf deren Kraterrändern sich nach dem Absinken unter die Wasseroberfläche Korallen bilden. Wenn die Korallen sterben, zerfallen sie zu feinem Sand, der sich langsam anhäuft und so über Millionen von Jahren kleine Inselchen aus dem Wasser sprießen lässt, die in perforierter Linie die Form des Kraterrands nachzeichnen und gemeinsam mit den Riffen, die die mal kleinen und mal großen Lücken zwischen ihnen schließen, eine vor der offenen See gut geschützte Lagune entstehen lassen. Kokospalmen und ein paar wenige weitere Baum- und Straucharten siedeln sich an Land an, während im türkisen Wasser die Korallen gedeihen. Obwohl mir in Atollen auf Dauer immer ein wenig die Topografie fehlt, geht von ihnen doch ein enormer Reiz aus, denn die Unterwasserwelt sucht ihresgleichen. In den Tuamotus verteilen sich gleich 78 solcher Atolle auf einer Fläche, die in etwa der Westeuropas entspricht. Die größten dieser Lagunen sind über 40 Kilometer lang, doch die Inseln, die sie ringförmig umschließen sind so schmal, dass die gesamte Landfläche aller 78 Atolle zusammen mit nur etwa 850 Quadratkilometern knapp unter der Stadtfläche Berlins liegt.
Natürlich klingt es auch reizvoll, ein unbewohntes Atoll zu besuchen, aber ich möchte nicht allzu viel Zeit hier verbringen. Das erklärte Hauptziel sind die Haie, und dafür gibt keinen besseren Ort als den südlichen Pass Fakaravas. Nicht alle Atolle sind überhaupt zugänglich, denn dafür bedarf es eines Durchlasses durch das Riff. Manche Atolle haben einen geschlossenen Ring aus Inselchen und Riff. Die übrigen haben zumeist höchstens zwei, manchmal nur einen Durchlass, der tief genug ist, um dort sicher navigieren zu können. Allerdings nutzen nicht nur Boote diese Pässe. Auch die Abermillionen Kubikmeter Wasser, die bei jeder Tide in die oder aus der Lagune strömen, zwängen sich hauptsächlich durch diese Nadelöhre, wodurch Strömungen von häufig über sechs Knoten entstehen, die viermal am Tag die Richtung ändern. Bei starkem Wellengang branden zudem enorme Mengen an Wasser über die Riffe. Da dieses Wasser aber natürlich nicht zurückbranden kann, muss es ebenfalls durch die wenigen Durchlässe. Für die Ein- und Ausfahrt bedeutet das einiges an Herausforderung, denn die Strömungen kreieren nicht selten schwer kalkulierbare Wirbel und, wenn sie gegen die Windrichtung laufen, gefährliche stehende Wellen. Teilweise empfiehlt es sich durchaus, auf das Stauwasser, also den Übergang zwischen den Tiden zu warten. Jedes Jahr enden hier mehrere Boote auf dem Riff. Doch was für die Navigation zum Albtraum werden kann, ist für das Tauchen ein Segen, denn Haie lieben die Strömung. Die meisten Haiarten haben passive Kiemen, was bedeutet, dass sie sich durch das Wasser bewegen müssen, um atmen zu können. In einer Strömung aber können sie sich an einem Ort aufhalten, während dieselbe das Wasser durch ihre Kiemen drückt.
Obwohl ich mir dieser Tatsache bewusst bin, kann mich nichts auf das vorbereiten, was kommt. Meine Freunde Del und Ryan vom Katamaran Dignity haben eine vollständige Tauchausrüstung an Bord – inklusive vier Flaschen und einem Kompressor, um diese zu füllen. Dreimal nehmen sie mich mit zum Tauchen im Südpass, und bei jedem einzelnen dieser Tauchgänge sehe ich zehnmal mehr Haie als in meinem gesamten vorherigen Leben zusammen. Del hat mehrere Jahre in den haiverseuchten Gewässern Palaus als Tauch-Guide gearbeitet, doch auch er sagt, er habe noch nie in seinem Leben so viele Haie während eines einzigen Tauchgangs gesehen wie hier. Er rätselt gar, wie es überhaupt möglich sei, denn für die Unmengen an Räubern scheinen nicht genug Beutefische vorhanden zu sein. Die Haie sind über uns, unter uns, vor uns, hinter uns, links und rechts. Wir tauchen bei auflaufender Tide, um von der Strömung nicht ins offene Meer hinausgetragen zu werden. Die Haie sind alle gegen die Strömung orientiert, um sich mit mühelosen, kaum merklichen Schwimmbewegungen an Ort und Stelle zu halten. Graue Riffhaie stellen mit Abstand die größte Fraktion, aber auch Schwarzspitzenriffhaie, Silberspitzenhaie, Weißspitzenriffhaie und zwei Ozeanische Schwarzspitzenhaie gesellen sich dazu, und auch, wenn die erhofften Hammer- und Tigerhaie ausbleiben, ist das Erlebnis unbeschreiblich.
Abends machen wir Lagerfeuer am Strand und rösten Stockbrot. Unsere südafrikanischen Freunde Jacqui und Gerard kennen Stockbrot ob ihrer germanischen Wurzeln, doch die durchweg angelsächsische Dignity-Crew hat davon noch nie etwas gehört. Insgesamt jedenfalls lässt sich das Leben in den Tuamotus aushalten. Tagsüber tauchen mit Haien und abends Stockbrot und Rum.
Ich muss mich für die Qualität meiner fürchterlichen Fotos entschuldigen. Vielleicht hätte ich doch die sechs Jahre alte Nikon durch eine GoPro oder dergleichen ersetzen sollen.
Haie allenthalben.
Haie sind neugierige Tiere. Wenn einer direkt auf einen zuschwimmt, bedeutet das nicht, dass man in Panik ausbrechen müsste.
Ein wenig Abwechslung zwischen all den Grauen Riffhaien: Ein ozeanischer Schwarzspitzenhai und ein Silberspitzenhai.
Mehr Haie.
Ein trotz meiner bekackten Kamera recht klar getroffenes Exemplar.
Palmeninseln und türkises Wasser. Die Tuamotus sind San Blas on Steroids und haben weit mehr zu bieten als nur Haie.
Auf dem Weg vom Südpass zum Nordpass fotografiert mich Del von der Dignity aus.
Vor dem malerischen Pink Beach lassen Ryan und Gerard den Kite steigen.
Mittagessen mit den Füßen im Wasser im Snack du Requin Dormeur in Rotoava.
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